„Was, ein gebrauchter Kindersitz? In das alte Ding hast du deinen Sohn gesetzt?“
Eine misstrauische Frage, ein skeptischer Blick – und schon macht sich bei der jungen Mutter ein schlechtes Gewissen breit: Ihr Sohn hat doch eigentlich auch einen neuen, eigenen Kindersitz verdient. Keinen gebrauchten, in dem schon ein anderes Kind saß … Auch, wenn der gebrauchte einen Top-Zustand aufweist.
Neu ist besser?
Warum also gebrauchte Gegenstände kaufen, wenn es diese auch neu – scheinbar makellos und exklusiv – gibt? Der gesellschaftliche Druck suggeriert: Neu ist besser. Gleichgültig, wie lang der Autositz bereits benutzt wurde. Das Kind hat etwas Besseres verdient. Diese Denkweise wirkt sich auf die Nachfrage und damit direkt auf das Angebot aus. So wird immer wieder neu produziert … und entsorgt – es entsteht eine Wegwerfwirtschaft.
Doch steht bei Produkten wie einem Kindersitz nicht der Nutzen, die Funktion, im Vordergrund? – Der Kindersitz soll Ihr Kind im Auto sichern. Das ist wichtig. Welche Farbe er hat? Welche Marke auf dem Polster steht? – Spielt für die Sicherheit Ihres Kindes weniger eine Rolle. In ein paar Jahren ist es zu groß für den Sitz und er wandert auf den Müll.
Die Macht der Werbung
Als Käufer sind wir uns häufig gar nicht über die Konsequenzen unseres Konsum- und Kaufverhaltens im Klaren. Die Werbung tut ihr Übriges. Ich kann mir da an die eigene Nase fassen: Auch ich achte auf die Ästhetik meiner Kleidung. Auch ich laufe nicht nur mit dem Jutebeutel durch die Gegend – obwohl ich damit das Klischee erfüllen würde. Es ist in Ordnung, sich neue Dinge zu gönnen. Dinge, die schön sind und einem Freude machen. Trotzdem ist es wichtig, sich seiner eigenen Bedürfnisse bewusst zu sein und zu trennen: Was ist der Nutzen und welches Produkt bedient in erster Linie Ihren Status, Ihr Image? Brauchen Sie wirklich das neueste iPhone mit all den neuen Funktionen? Oder werden Sie vor allem von der emotional aufbereiteten Werbekampagne überzeugt?
Der Einfluss von Unternehmen auf das Konsumverhalten
Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Aber auch das Angebot bestimmt die Nachfrage. Auch Unternehmen können nachhaltiger wirtschaften und das Bewusstsein ihrer Kunden schärfen: durch transparentes Storytelling. Welche Materialien werden verwendet, wie lange hält das Produkt? Welchen Mehrwert schafft dieses Produkt? Manche Unternehmen praktizieren das schon: Die Outdoor-Marke Jack Wolfskin bietet beispielsweise gezielt Artikel aus recyceltem Material an – und spricht damit auch ihre Kunden, die Naturfans, an.
Aber auch regional gibt es Vorreiter, die den Konsumenten Lust auf nachhaltiges Kaufen machen: Ich persönlich finde das Konzept der Kleiderei https://kleiderei.com toll: Dort können Sie mit einem Monatsabo Kleidung ausleihen und so oft tauschen, wie Sie wollen. Secondhand ist nicht alt und unmodisch. Im Gegenteil! Das beweisen auch schon seit einigen Jahren Apps wie Kleiderkreisel.
Kreislaufwirtschaft statt Wegwerfgesellschaft
Unternehmen sollten auf diesen Zug aufspringen und ihren Käufern Mut machen, sich auf neue Ideen einzulassen. Transparenz und Aufklärung ist dabei das Wichtigste. Ich persönlich finde das Tragegefühl nachhaltig und fair produzierter Kleidung viel angenehmer. Die Verarbeitung ist besser, die Lebensdauer länger. Und – das Wichtigste: Das Gefühl als Konsument ist viel besser und langfristiger als beim schnellen Kauf einer billig produzierten Jeans, die nach dem ersten Waschgang schon Richtung Müll wandert.
Deswegen wünsche ich mir, dass wir alle unser Bewusstsein schärfen und auch Unternehmen ihren Teil zum Umdenken in der Gesellschaft beitragen: Neu ist eben nicht immer besser. Und ein gebrauchter Kindersitz macht Sie nicht zu schlechten Eltern.
Heike Hundertmark