Nach einem langen Arbeitstag – wenn mir die Füße wehtun, der Kopf brummt und ich nicht mehr viel Energie in mir verspüre, dann suche ich nach einem Ausweg aus meinem Unwohlsein auszubrechen, mich wieder wohl zu fühlen und den Abend noch genießen zu können. Doch wie kann ich mich, können wir uns, auf die Schnelle neu programmieren? Und von Beruf auf Freizeit, von Büro auf zu Hause und von Fachgesprächen auf persönliche Themen switchen?
Doch wie wäre es, wenn wir uns auch im Unwohlsein akzeptierten? Wenn wir versuchten, die negativen Gefühle ebenso stehen zu lassen wie die positiven? Das würde nicht nur uns guttun, sondern auch unserem Planeten. Und zwar in Bezug auf zwei Aspekte:
Immer gut gelaunt?
1.) Uns muss es gar nicht immer gut gehen! Wir wurden dazu erzogen, zufrieden und gut gelaunt zu sein, doch das Leben ist kein Ponyhof. Manchmal laufen Dinge schief, manchmal nimmt das Leben eine Wendung, die wir so nicht geplant und erwartet haben. Es ist daher vollkommen okay, dass wir mal mies drauf sind. Ich versuche, auch negative Gefühle zuzulassen. Sie bewusst wahrzunehmen und zu erleben. Denn das Gegenteil – und das beobachte ich sehr häufig – wäre: ablenken. Und das führt mich gleich zum zweiten Aspekt.
2) Ich komme selten dazu, in die Stadt zu fahren. Umso verlockender sind für mich Online-Angebote. Wenn ich also nach einem stressigen Tag meine Mails lese, und mir springt in einem Newsletter eine gute gemachte Werbeanzeige entgegen, klicke ich drauf. Das ist eigentlich absurd, denn Marketing ist mein Steckenpferd. Ich kenne die Tricks hinter den bunten Anzeigen. Und trotzdem: Die Aussicht auf neue Outdoor-Ausrüstung oder neue Fahrradklamotten hellt meine Laune auf. Während ich auf „In den Warenkorb legen“ klicke, stelle ich mir im Kopf mein eigenes kleines Abenteuer zusammen. Raus aus der schlechten Laune, rein in den nächsten Kurzurlaub.
Warme Glücksgefühle
Das Problem dabei: Ich lenke mich mit Konsum an. Mit Dingen, die ich eigentlich gar nicht brauche. Mit Gegenständen, die unnötig Ressourcen verbrauchen. Und das will ich nicht, das steht dem Gedanken der Kreislaufwirtschaft komplett entgegen!
Aber wie komme ich sonst zu diesen wohlig warmen Glücksgefühlen – wenn nicht durch Konsum?
Ich habe für mich etwas gefunden, dass mir nicht nur genauso guttut wie Shopping, sondern auch noch viel nachhaltiger ist: Dankbarkeit. Jeden Morgen stehe ich eine halbe Stunde früher auf, um Yoga zu machen, zu meditieren oder mir ganz bewusst zu machen, für was ich heute dankbar bin. Das können kleine Dinge sein, wie der Sonnenschein, der durch das geöffnete Fenster fällt, oder größere Dinge, wie, dass meine Kinder gesund sind. Dieser Moment des Innehaltens zeigt mir, wo ich gerade stehe. Was in mir vorgeht und was gerade wichtig für mich ist. So lenke ich meinen Fokus bewusst auf das Positive. Oder nehme auch andere Gefühle wahr – Müdigkeit, Frust, Aufregung, Ruhe, …die volle Bandbreite an Gefühlen.
Auf der Suche nach Belohnung
Dienstag ist mein langer Tag. Von der Arbeit direkt ins Kinderturnen. Wenn ich dann abends nach Hause komme, bin ich hin und wieder richtig erschöpft. Also möchte ich mir etwas Gutes tun. Auf der Suche nach einer Belohnung wandert mein Blick zur Chipstüte. Aber inzwischen habe ich gelernt, dass in solchen Momenten meine Yogamatte die bessere Wahl ist. Das Ergebnis ist das gleiche: Ich fühle mich besser! Und dieses gute Gefühlt hält auch viel länger an als nach dem Chipsessen. Klingt banal?
Was ich Ihnen damit sagen will: Chips und Yoga liegen genauso nah beieinander wie Konsum und Dankbarkeit: Sie erfüllen sich damit das gleiche Bedürfnis. Welches von beidem Sie wählen, das ist Ihre Entscheidung – und es muss auch nicht unbedingt Yoga sein – ein Spaziergang, ein gutes Buch, einfach nur Sitzen, Liegen, Gucken. Die Wahl ist Ihre.
Heike Hundertmark