Wir haben bei allsafe unsere erste CO2–Bilanz schon 2011 erstellt. Ich hatte das Buch „Green Recovery“ des Amerikaners Andrew S. Winston gelesen. Der Autor hatte für viele Produkte des täglichen Konsums den CO2-Fußabdruck errechnet. Bei ihm las ich das erste Mal die Begriffe Scope 1, Scope 2 und Scope 3. Ich fand das spannend. Und inspirierend. Ich dachte: Dass kann ja nicht so kompliziert sein, das machen wir jetzt bei allsafe auch … Nun, kompliziert ist das auch nicht. Wenn Sie bei Scope 1 und Scope 2 bleiben. Wenn Sie das aber richtig machen wollen – und das heißt, Scope 3 angehen –, dann ist das eine andere Hausnummer. Denn dann passiert Folgendes: Sie entdecken, dass Sie Ihr Geschäftsmodell, wie Sie wirtschaften und arbeiten, neu denken müssen …
An der Stelle hören die meisten auf
Berechnen Sie die CO2–Bilanz Ihres Unternehmens, dann ermitteln Sie für den Scope 1 den Verbrauch von Primärenergie im Unternehmen, also zum Beispiel Gas, Kohle, Öl, Kraftstoff. In den Scope 1 fließt ein, was Sie für den Betrieb Ihres Unternehmens, die Heizung, die Prozesswärme, als Kraftstoff für Ihre Firmenfahrzeuge an Primärenergie brauchen. Der Scope 2 ergibt sich aus dem Sekundär-Energieverbrauch, also aus dem Stromverbrauch im und für das Unternehmen. Den Scope 2 können Sie gut an Ihrer Stromrechnung ablesen.
Das war es eigentlich schon. Und die Optimierung der CO2–Bilanz auf Basis von Scope 1 und Scope 2 ist relativ einfach: Die Antwort heißt, sparen. Optimieren Sie Ihre Prozesse, damit Sie weniger Energie verbrauchen.
So weit so gut. Und an dieser Stelle hören die meisten auf. Weil es jetzt kompliziert wird. Weil die meisten Unternehmen die Konsequenzen scheuen, die es bedeutet, sich auch den Scope 3 anzusehen. Lieber beim einfachen Optimieren bleiben – aber genau dieses Optimieren reicht eben nicht mehr aus.
Warum Optimieren nicht reicht
Mit dem Scope 3 erfassen Sie alles, was außerhalb des Unternehmens bei der Produktion von Rohstoffen, der Veredelung, beim Transport davor und danach, aber auch beim Gebrauch der produzierten Güter bis hin zur Entsorgung und zum Recycling an Energie benötigt wird.
Das ist richtig kompliziert. Auch weil Sie in der Regel zunächst kaum verwertbare Daten haben. Sie müssen zu Beginn viel mit Vereinfachungen und Schätzungen arbeiten. Und deswegen sagen viele: „Wir kümmern uns später um Scope 3, wenn wir bessere Daten haben, wenn wir nicht mehr vereinfachen müssen …“ – das ist verständlich, weil Sie sich mit so einem Vorgehen angreifbar machen, sollte sich jemand Ihre Datenbasis genau ansehen. Aber dennoch ist das mit Blick auf Nachhaltigkeit und die so dringend notwendige Verringerung der CO2–Bilanz von uns Menschen einfach zu wenig.
Warum? Bei uns bei allsafe fallen nur 3 bis 4 Prozent unter Scope 1 und Scope 2. Hier können wir optimieren noch und nöcher – wenn wir uns nicht um die übrigen 96 Prozent unserer CO2–Bilanz kümmern, dann kommen wir nicht voran. Und bei den meisten Unternehmen, die Güter produzieren, wird das so aussehen. Weswegen ich sage: Optimieren reicht nicht. Sie müssen an die 96 Prozent Ihrer CO2–Bilanz ran, denn dann können Sie wirklich nachhaltig etwas verändern.
Das bedeutet aber, dass Sie eine einschneidende Erkenntnis haben werden, die eben heute noch die meisten scheuen: Diese mehr als 96 Prozent Ihrer CO2–Bilanz, die auf den Scope 3 entfallen, ist in Ihrem Geschäftsmodell begründet. Sie müssen also an Ihr Geschäftsmodell ran!
Was dies für unser Geschäftsmodell bedeutet
Ich habe mich bei allsafe gefragt, was wir tun können. Von den 4 Prozent, die bei Scope 1 und 2 anfallen, 50 Prozent an Energie sparen, das ist nett. Aber damit können wir keinen wesentlichen Teil zur Rettung unseres Planeten und auch unseres Wohlstandes beitragen. Wir müssen an den Scope 3 und die über 96 Prozent ran – an unser Geschäftsmodell. Wir müssen unser Wirtschaften neu denken.
Unser Wirtschaften, die Produktion von immer mehr vom immer Gleichen, Wachstum als Geschäftsmodell, sorgt für die so enorm schlechte und uns als Menschheit bedrohende CO2–Bilanz.
Aber nicht mehr wachsen – und dann geschäftlich nicht mehr erfolgreich sein und den Laden irgendwann einmal schließen müssen?
Ein echtes Dilemma. Um das zu lösen, habe ich bei allsafe einige Jahre gebraucht.
Wie kann also Wirtschaft funktionieren, wie kann Wachstum erzeugt werden, ohne immer mehr vom Gleichen zu produzieren?
Die Idee war: Wirtschaften und Wachstum im Sinne einer Kreislaufwirtschaft neu zu denken. Die Idee war: Nutzen statt Besitzen.
Umdenken lohnt sich für Sie
Wenn unsere Kunden die Güter, die wir produzieren, nicht mehr kaufen, sondern es für unsere Kunden attraktiver ist, diese Güter nur noch zu benutzen. Wenn unsere Kunden für die Benutzung von Ladungssicherungen, von Balken, Schienen, Netzen bezahlen – so wie viele heute schon keine CDs oder Schallplatten oder DVDs mehr kaufen, sondern über Musik-Abos, über Spielfilm-Abos sich einfach den Nutzen sichern: eben Musik hören zu können, Filme sehen zu können, wann immer Sie möchten … – dann könnten wir bei allsafe auf immer mehr Produktion verzichten und trotzdem Geschäfte machen.
Wir haben dann einige Jahre an der Umsetzung dieser Idee gearbeitet, sehr viel am Markt experimentiert. Wir sind mit unseren Umsetzungsansätzen etliche Mal gescheitert.
Aber ich war davon überzeugt: Das Umdenken wird sich lohnen. Die Idee von Kreislaufwirtschaft, unser neues Geschäftsmodell von ,Nutzen statt Besitzen’ wird sich rechnen.
Wir haben viel aus den Rückschlägen gelernt. Und heute 2022 haben wir ein seit drei Jahren funktionierendes, neues Geschäftsmodell: all:change, Reparieren anstatt wegwerfen und neu kaufen. Und das machen wir für alle Stangen, Balken, die unsere Kunden benutzen – egal, wo unsere Kunden diese Produkte einmal gekauft haben.
Wir haben aus den Daten unserer CO2–Bilanz gelernt. Wir haben die Herausforderung angenommen, umzudenken, um Wachstum und wirtschaftlichen Erfolg neu zu definieren.
Klingt doch einfach und logisch – aber was im Nachhinein so einfach und logisch klingt, ist oft ein langer Weg. Scheuen Sie sich nicht, diesen Weg zu gehen.
Detlef Lohmann